Rede von
Prof. Dr. Klaus Wolf
bei der Landesversammlung des Bayernbundes
auf Herrenchiemsee

Prof. Klaus Wolf (Präsident der Bayerischen Einigung) und Sebastian Friesinger, MdL (Landesvorsitzender des Bayernbundes)

Sehr geehrter Vorsitzender des Bayernbundes,
sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst freut es mich als Mitglied des Bayernbundes hier vor Ihnen stehen zu dürfen. Meine Ansprache halte ich jetzt aber als Präsident der Bayerischen Einigung. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sowohl Bayerische Einigung als auch Bayernbund ähnliche Ziele verfolgen. Unseren beiden Organisationen geht es um die bayerische Eigenstaatlichkeit in einem vereinten Europa. Dabei sind wir Anhänger eines Europas der Regionen. Unsere beiden Organisationen schätzen und fördern gleichermaßen bayerische Traditionen als Trachtenkultur, als Mundartdichtung, als Volksmusik und als Bildende Kunst. Wenn auch manche Akzentsetzungen im Detail bei unseren beiden Organisationen individuell sind, so verfolgen wir doch insgesamt das gleiche Ziel, nämlich die bayerische Identität nach außen zu repräsentieren. Wir kämpfen für die selbe Sache mit unseren je eigenen Veranstaltungen und Publikationen. Im Interesse Bayerns handeln der Bayernbund und die Bayerische Einigung nach dem Motto: „Getrennt marschieren, vereint schlagen!“. Diese Parole hat einst der Preuße Helmut von Moltke ausgegeben. Manchmal hatten auch Preußen gute Ideen, die wir Bayern, wenn auch nicht ungeprüft, im Einzelfall übernehmen.

Als Präsident der Bayerischen Einigung möchte ich Ihnen heute aber zunächst unsere Organisation näher vorstellen. Die Gründung des Vereins „Bayerische Einigung e.V.“ erfolgte 1954. Die Ziele unseres Vereins sind mit staatspolitischer Bildung mit Fokus auf die Bayerische Verfassung, die 1946 durch Volksabstimmung angenommen wurde, zu umschreiben. Neben politischer Bildung für die Jugend geht es uns als Bayerische Einigung um das Verhältnis von Bayern und Europa sowie insbesondere um die alljährlichen Feierlichkeiten anlässlich des Bayerischen Verfassungstages.

Dieser Verfassungstag des Freistaats Bayern wird alljährlich am 1. Dezember, dem Tag des Volksentscheids zur Ratifizierung der Bayerischen Verfassung, feierlich begangen. Heuer treffen wir uns am 1. Dezember im Senatssaal des Bayerischen Landtages. Neben einer Ansprache der Landtagspräsidentin Ilse Aigner zeichnen wir die Gewinner unseres noch laufenden Schulwettbewerbs zur Verfassungsviertelstunde aus, wobei Kultusministerin Stolz persönlich die Siegerehrung vornehmen wird.

Worum geht es in diesem Wettbewerb?

Der Wettbewerb „Bayerische Verfassungsviertelstunde“ zielt auf best practice-Beispiele für die Verfassungsviertelstunde im Schulunterricht aller Jahrgangsstufen und aller Schularten. Inhaltlich muss es um die Bayerische Verfassung gehen. Erwünscht sind einerseits digitale Beispiele gelungener Verfassungsviertelstunden, andererseits digitale Aufhänger für das Gespräch in der Schule im Rahmen einer Verfassungsviertelstunde: konkret denken wir beispielsweise an Bilder, Memes, Kurzfilme (maximal 15min). Teilnahmeberechtigt sind alle Schularten, sowie Jugendorganisationen in Bayern. Ausgezeichnet wird die Lehrperson und die mitwirkende Gruppe Jugendlicher. Als Kooperationspartner konnten wir die Stiftung Wertebündnis Bayern, den Michaelsbund und die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur gewinnen.

Wenn heute anwesende Lehrerinnen und Lehrer oder Jugendorganisationen Interesse an dem Wettbewerb haben, der noch bis zum 31. Oktober diesen Jahres läuft, dann schauen Sie bitte gerne auf die Homepage der Bayerischen Einigung! Erster Preis ist übrigens eine Klassenfahrt nach Brüssel zur Bayerischen Landesvertretung. Neben der politischen Bildung für junge Leute geht es uns auch um eine Kernaussage der Bayerischen Verfassung, wonach Bayern ein Kulturstaat ist. Von daher fördert die Bayerische Einigung auch herausragende Leistungen von bayerischen Kulturschaffenden. Wir tun dies im Verbund mit der Bayerischen Volksstiftung.

Denn der Bayerischen Einigung ist seit vielen Jahren die „Bayerische Volksstiftung“ zugeordnet, die sich der bayernbezogenen Kulturförderung im weiteren Sinne verschrieben hat.

Vielleicht haben sich manche von Ihnen aber jetzt gefragt, was unser Name „Bayerische Einigung“ eigentlich bedeutet. Was ist da vereinigt worden? Unser zentrales Anliegen als Bayerische Einigung ist die staatspolitische Einheit der Altbayern, Schwaben und Franken sowie der Sudetendeutschen. Natürlich meinen wir heute damit auch bayerische Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund. Und dieses solchermaßen geeinte Bayern hat seine Zukunft wiederum in Europa. Dies zeigt auch die aus unserem Schulwettbewerb vor einigen Jahren hervorgegangene und auf unseren Veranstaltungen, insbesondere dem Bayerischen Verfassungstag, gesungene weitere Strophe der Bayernhymne, die bereits mein Vorgänger als Präsident, Florian Besold, als offizielle Zusatzstrophe der Bayernhymne erheben lassen wollte. Am Bayerischen Verfassungstag singen wir also nach den üblichen ersten beiden Strophen der Bayernhymne noch die folgende:

„Gott mit uns und allen Völkern, ganz in Einheit tun wir kund: In der Vielfalt liegt die Zukunft, in Europas Staatenbund. Freie Menschen, freies Leben, gleiches Recht für Mann und Frau! Goldne Sterne, blaue Fahne und der Himmel, weiß und blau.“

Dass es im laufenden Schulwettbewerb 2025 um Inhalte der Verfassungsviertelstunde bezüglich der Bayerischen Verfassung geht, zeigt, dass diese für uns in unserem Bildungsprogramm im Zentrum steht. Daneben geht es uns bei der politischen Bildung für junge Leute immer auch um das Grundgesetz. Deshalb unternahmen wir aus gegebenem Anlass auch eine Informationsfahrt unserer Mitgliederschaft nach Herrenchiemsee. Anlass war das 75-jährige Jubiläum des Verfassungskonvents im Alten Schloss Herrenchiemsee. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wählten bewusst die abgeschiedene Insellage im Chiemgau, um ungestört und unbeeinflusst von außen der neuen deutschen Staatlichkeit nach der NS-Diktatur eine verfassungsmäßige Grundlage zu geben. Der bayerische Ministerpräsident verband damals mit seiner Einladung für den Verfassungskonvent auf dem Chiemsee auch das Signal der Stärkung von Länderinteressen, insbesondere Interessen Bayerns. Denn während die Weimarer Verfassung vergleichsweise zentralistisch war und das Nazi-Regime die Länder sogar zerschlug, sollte auch auf Drängen der US-Amerikaner der neue Verfassungsentwurf, aus dem dann später das Grundgesetz wurde, deutlich föderal angelegt sein. Und somit wurde die Bundesrepublik Deutschland, anders als etwa das zentralistische Frankreich, zu einem föderalen Staat mit Kulturhoheit der Länder etwa.

Aus Weimar hatten die Mütter und Väter des Grundgesetzes für ihre Beratungen auf Herrenchiemsee auch gelernt, Gefahren der Instabilität zu kompensieren, indem etwa die Position des Bundeskanzlers mit der Richtlinienkompetenz gestärkt wurde. Nicht nur damit erwies sich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland als stabile und Stabilität sichernde Verfassung, die so auch nach der Wiedervereinigung übernommen werden konnte. Forderungen nach einer neuen Verfassung, die 1990 in Ostdeutschland erhoben wurden, werden heute im Grunde genommen nur noch von den politischen Rändern reklamiert. Denn das Grundgesetz ist in der Summe eine unbestreitbare Erfolgsgeschichte und die beste Verfassung, die Deutschland je hatte.

Aber seit wann gibt es überhaupt Verfassungen in Deutschland? Die Antwort zeigt, dass Bayern wieder einmal die Nase vorn hat. Denn Bayern ist ein Verfassungsstaat von Anfang an. Und das betrifft uns als Bayerisch Einigung mit der alljährlichen Verfassungsfeier ganz besonders. Denn bereits die Lex Baiovariorum geht schon auf das 7. Jahrhundert zurück. In diesem ältesten bayerischen Gesetzbuch, im – so wörtlich – ‚Recht der Bayern‘, werden in lateinischer und teilweise ältester bairischer Sprache Aufbau und Grundlagen sowie Straf- und Zivilrecht des Stammesherzogtums Bayern geregelt. Bestimmte Rechtstermini werden in der Volkssprache wiedergegeben, damit beispielsweise ganz unmissverständlich klar ist, was unter einem pulislac, einem Beulenschlag, zu verstehen ist. Denn wenn ich etwa dem baierischen Herzog eine herunterhaue, ist das, laut Lex Baiovariorum, sehr teuer, was die Entschädigungszahlungen anbelangt. Günstiger ist die Sühnezahlung an geschlagene Grafen, Priester und Bauern, natürlich in der Geldhöhe hierarchisch abgestuft.

Um es auf den Punkt zu bringen: In Bayern gab es bereits Gesetze und damit eine Staatlichkeit, bevor an einen deutschen Staat überhaupt zu denken war. Oder noch deutlicher: Bayern ist als Staat älter als Deutschland.

Und ich kann noch eins draufsetzen: Bayern ist auch in der Neuzeit der älteste deutsche Flächenstaat mit einer Verfassung. Die Bayerische Verfassung von 1808 markiert hier somit die Fortschrittlichkeit des Königreichs Bayern. Weder in Preußen noch in Österreich war zu dieser Zeit eine Verfassung vorhanden. Die darauffolgende Bayerische Verfassung von 1818 erhielt sogar ein Denkmal zur selben Zeit, an dessen Grundsteinlegung im fränkischen Gaibach Kronprinz Ludwig persönlich beteiligt war. Das Ölgemälde zu dieser Grundsteinlegung für das Denkmal der Konstitutionssäule von Gaibach finden Sie in der aktuellen Bayerischen Landesausstellung in Regensburg zu König Ludwig I. Ich war dabei, als Ministerpräsident Markus Söder unter Beisein seiner Königlichen Hoheit Herzog Franz diese Ausstellung am 9. Mai feierlich eröffnete.

Doch kehren wir nach so viel Geschichte zurück zu unserer Gegenwart. Sowohl die Bayerische Verfassung wie auch das Grundgesetz stehen zur Zeit in der Bewährungsprobe durch politischen Extremismus von Links und Rechts. Wenn wir ins Internet schauen, auf Facebook, Instagram, X oder TikTok, so herrschen dort seit geraumer Zeit Hass, Hetze und Höcke.

Der Antisemitismus grassiert. Auch Islamisten tummeln sich über Bildschirme in Kinderzimmern und auf Pausenhöfen. Hier muss durch verstärkte Bildungsarbeit der Verfassungspatriotismus auch in den neuen Medien stärker gestützt werden. Zu diesem Zweck prämierte die Bayerische Einigung im letzten Jahr die Sieger unseres Digitalwettbewerbs „Demokratie ist schön!“ mit Ausrufezeichen. Auf dem Bayerischen Verfassungstag in Bamberg zeichneten die Stellvertretende Ministerpräsidentin Ulrike Scharf und der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Sieger des Schulwettbewerbs aus. Ein wichtiges Anliegen ist mir persönlich aber auch die Antisemitismusprävention. Diese sollte sich nicht nur auf abstrakte und theoretische Geschichtsvorträge beschränken. Es geht vielmehr um moderne pädagogische Vermittlungswege. Hier sollten in Zukunft nicht nur Konzentrationslager und deren zahlreiche Außenlager in die Bildungsarbeit einbezogen werden, sondern auch die zahlreichen Synagogenorte in Schwaben und Franken. Diese zeigen, dass es jüdische Besiedelung in Bayern seit dem Imperium Romanum gab. Von daher gehören die Jüdinnen und Juden zu den ältesten Bayern.

In Synagogenworten wie beispielsweise Binswangen oder Buttenwiesen lebten bis 1933 zahlreiche Jüdinnen und Juden. Im 18. Jahrhundert waren es in schwäbischen Landgemeinden wie Ichenhausen oder Binswangen sogar fast die Hälfte der Bevölkerung. In diesen Orten entwickelt man seit Jahren hervorragende Konzepte, welche etwa die ehemalige Synagoge Binswangen zu einem Lernort für Schülerinnen und Schüler, aber auch Erwachsene machen. Und im Lernort Buttenwiesen wird sogar ein ganzes Gebäudeensemble auf maßgebliche Initiative des Bürgermeisters hin pädagogisch ertüchtigt. Beim Besuch von Buttenwiesen oder Binswangen merken die Besucherinnen und Besucher, dass jüdisches Leben seit Jahrhunderten ganz organisch zu Bayern gehört. Auch von daher mein Appell an Sie: Besuchen Sie mit Ihren Jugendgruppen, Freunden und Bekannten diese Orte!

Solches Engagement gegen Antisemitismus, aber auch Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz ist gelebter Verfassungsschutz, der aus der Bürgerschaft selbst herauskommt. Wir alle sind aufgerufen, den Werten des Grundgesetzes und insbesondere der Bayerischen Verfassung damit Geltung zu verschaffen. Denn in der Bayerischen Verfassung heißt es in Art. 119 wörtlich: „Rassen- und Völkerhaß zu entfachen ist verboten und strafbar“.

Und jetzt der Höhepunkt am Schluss: 2026 feiert die Bayerische Verfassung ihren 80. Geburtstag! Diesen werden wir als Bayerische Einigung feste feiern. Lassen Sie sich von unseren Ideen überraschen! Oder noch besser: Sie werden Mitglied bei der Bayerischen Einigung! Damit haben Sie freien Eintritt zur Verfassungsfeier im Landtag, Sie bekommen unsere Zeitschrift „Bayernspiegel“ und spannende Exkursionen zu den Orten der Demokratie in Bayern. Den Mitgliedsantrag finden Sie auf der Homepage der Bayerischen Einigung. Das war jetzt der abschließende Werbeblock. Vielen Dank für Ihre Geduld!

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